Das Zungenorgel-Projekt - Vorher & nachher

Im Frühling 2012 trafen wir auf einem Gitarrenkonzert einen Arbeitskollegen meines Vaters. Als ich über unser Drehorgelhobby erzählte, sagte er plötzlich: "Ich hätte da auch was..." Wie es sich herausstellte, handelte es sich bei der Drehorgel um eine kleine Tischdrehorgel mit Stiftwalzensteuerung und Harmoniumzungen, die laut einer Aufschrift um 1880 gebaut worden ist. Sie hatte 31 Tonstufen und mehrere verstellbare Lieder. Er erzählte uns, er hätte sie einmal als Zahlung von jemandem bekommen, der seine Schulden nicht zurückzahlen konnte. Der Zustand des Instruments war erbärmlich. Einige Lager waren extrem ausgeschlagen, die Stiftwalze unvollständig und einzelne Stifte verbogen, der Balg bestand nur noch aus Bröseln und die Zungen waren verklebt. Das Gehäuse war ziemlich ramponiert und es fehlte vorne ein Deckel. Mein Vater bekam schließlich den Auftrag, die alte Orgel wieder spielbar zu machen. Jedoch sollte es auch nach der Restaurierung noch rustikal aussehen. Also machte er sich an die Arbeit...


Zunächst wurde das gesamte Innenleben aus dem Kasten gekramt. Zuerst die teilweise beschädigte Stiftwalze. Dann konnte man auch schon sehen, dass einige der Tasthebel kaputt waren. Als nächstes kam der Balg, für den später ein neues, gekröpftes Pleuel angefertigt werden musste, weil das ursprüngliche Pleuel aufgrund seiner schiefen Einbaulage immer schräg zog und somit die Lager beschädigte. Die ersten Arbeiten gingen gut voran und schon bald waren der Balg, die Tasthebel und der ganze Rest wieder gerichtet. Auch die zuvor verbogenen Stifte auf der Walze wurden ausgerichtet und fehlende Stege ersetzt. Aber als wir dann Probespielen wollten, erkannten wir ein noch viel größeres Problem dieses Instruments...


Es klang fast genau so schauderhaft wie davor, bloß lauter (weil der Balg ja neu war). Der Fehler war schnell gefunden: Die Walze schien falsch justiert zu sein. Aber wie sehr wir es auch versuchten: Wenn eines der Lieder gut spielte, stimmten die anderen Lieder auf der Walze wieder nicht. Wir haben dann entdeckt, dass die Tasthebel minimales Spiel haben und daher beim Spielen immer wieder verrutschten und auf einen falschen Ton kommen. Nach gründlicher Messarbeit fertigte mein Vater dann einen Kamm an, der die Tasthebel in ihrer Position hielt. Fast unsichtbar ist er unter der Walze versteckt und so eingebaut, dass die Originalsubstanz erhalten blieb. Nach weiterem gründlichen justieren der Hebel konnten dann wirklich alle Lieder auf der Walze wieder gut gespielt werden.


Zuletzt war das Gehäuse an der Reihe. Es sollte ja noch rustikal wirken, aber dennoch störte uns das ziemlich verpfuschte Loch an der Vorderseite. Anhand einiger Stoffreste konnte man erahnen, dass dort einmal ein stoffbespanntes Ornamentteil angebracht war. So wie auch bei der Zungenorgel, die wir hier zuhause haben. Also wurde ein neues Ornamentteil angefertigt (designed von meiner Mama). Nachdem es schwarz lackiert war, musste der Lack noch ein wenig bearbeitet werden, damit er wieder zum Rest der Orgel passte, also alt aussieht. Weil unser Auftrag war schließlich, den rustikalen Look des Gehäuses beizubehalten. So sah die Zungenorgel nach der Restauration aus:



Und zum Schluss noch eine kleine Hörpobe. Einmal vor, einmal nach der Restaurierung.

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Vor der Restaurierung.mp3
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Nach der Restaurierung.mp3
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